Ein Beschuldigter hat Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, wenn er in einer strafrechtlichen Sache wegen einem Tatbestand mit notwendiger Verteidigung beschuldigt wird. Wann ein solcher Fall vorliegt, ist in der Strafprozessordnung geregelt. Das Gesetz will damit gewährleisten, dass die Rechte des Beschuldigten in einem Prozess gewahrt werden und dieser sich angemessen verteidigen kann.
Die notwendige Verteidigung nach StPO
Eine Pflichtverteidigung wird grundsätzlich im Strafrecht gewährt. Der § 140, Abs. 1 StPO benennt verschiedene Tatbestände aus dem Strafrecht, für die eine notwendige Verteidigung vorliegt:
- Die Hauptverhandlung findet in der ersten Instanz vor einem Oberlandes- oder Landesgericht statt.
- Dem Beschuldigten wird ein Verbrechen (in Abgrenzung zum Vergehen) vorgeworfen.
- Eine Verurteilung kann zu einem Berufsverbot führen.
- Der Beschuldigte sitzt in Untersuchungshaft oder in einer Anstalt.
- Eine Unterbringung zur Erstellung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten kommt in Frage.
- Es wird ein Sicherungsverfahren durchgeführt.
- Der bisherige Verteidiger wird aus dem Verfahren ausgeschlossen.
- Wenn dem Verletzten, bzw. einem Nebenkläger ein Anwalt beigeordnet worden ist.
Als weitere Gründe für eine Pflichtverteidigung gelten besonders schwere Taten oder schwierige Sach- und Rechtslagen oder wenn ein Beschuldigter sich ganz offensichtlich nicht selbst verteidigen kann.
Akteneinsicht durch den Verteidiger
Nach § 140, Abs. 2 StPO rechtfertigt auch eine schwierige Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Hier geht das Gesetz davon aus, dass nur dann, wenn die Beweislage bekannt ist, auch eine ordnungsgemäße Verteidigung möglich ist. Dazu muss der Beschuldigte wissen, was in den Akten steht und Einsicht in diese hat in den meisten Fällen nur ein Anwalt. Um ein für den Beschuldigten faires Verfahren zu gewährleisten, ist Akteneinsicht durch einen Verteidiger zum Beispiel dann nötig, wenn ein Zeuge seine Aussage mehrfach ändert, der Beschuldigte durch Zeugen belastet wird, den Tatvorwurf jedoch bestreitet oder wenn ein Sachverständigengutachten vorliegt, das Aussagen zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt trifft.
Selbstverteidigung nicht möglich
Ist offensichtlich, dass ein Beschuldigter sich nicht selbst verteidigen kann, hat er nach § 140, Abs. 2 StPO ebenfalls Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Dies ist unter anderem der Fall, wenn der Beschuldigte körperlich oder psychisch stark eingeschränkt ist, Verständigungsschwierigkeiten durch Sprachbarrieren oder wenn in der Verhandlung schwierige und umstrittene Rechtsfragen erörtert werden müssen.
Schwere Rechtsfolgen
Hat der Beschuldigte mit schweren Rechtsfolgen im Falle einer Verurteilung zu rechnen, dann muss ebenfalls eine Pflichtverteidigerbeiordnung vorgenommen werden. Zu den schweren Rechtsfolgen gehören Freiheitsstrafen ab einem Jahr, Anklagen mehrerer Personen in einer Verhandlung, bei denen bereits einer Person ein Pflichtverteidiger beigeordnet wurde oder einem drohenden Bewährungswiderruf.
Pflichtverteidigung bei Verbrechen
Die StPO sieht im § 140 vor, dass ein Anspruch auf Pflichtverteidigung bei einem Verbrechen, aber nicht bei einem Vergehen besteht. Die Abgrenzung liegt in der Schwere der Tat und in der zu erwartenden Freiheitsstrafe bei einer Verurteilung. Bei Straftaten, die mit Gefängnis ab einem Jahr geahndet werden, liegt in der Regel ein Verbrechen vor.
Wer beauftragt den Pflichtverteidiger?
Der Pflichtverteidiger kann zwar vom Beschuldigten ausgesucht werden, da freie Anwaltswahl herrscht, allerdings erfolgt seine Bestellung, also seine Beauftragung durch das zuständige Gericht. Diese Bestellung erfolgt auch, wen der Beschuldigte keinen eigenen Anwalt benennt, das Gericht wählt dann einen geeignet erscheinenden Pflichtverteidiger aus uns bestellt diesen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Beschuldigter seinem Anwalt nicht ohne Weiteres kündigen kann, eine Entpflichtung kann nur auf Antrag, bei wichtigen Gründen und vom Gericht erfolgen.
Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger – der kleine Unterschied
Häufig herrscht Unsicherheit hinsichtlich des Unterschieds zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Beauftragung. Während der Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt ist, wählt der Beschuldigte einen Wahlverteidiger selbst aus und erteilt ihm eine Vertretungsvollmacht. Der Wahlverteidiger kann von seinem Mandanten jederzeit gekündigt werden, die Gebührenforderung des Wahlverteidigers geht an seinen Auftraggeber. Den Pflichtverteidiger hingegen bezahlt die Staatskasse. Allerdings ist der Beschuldigte damit nicht in jedem Fall von den Verfahrenskosten befreit. Im Falle einer Verurteilung wendet sich die Staatskasse mit einem Erstattungsanspruch an den Verurteilten.
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